Dienstag, 8. April 2014

Irgendwann holt dich die Vergangenheit immer ein ...


Wir in drei Worten
Mhairi McFarlane
Knaur TB-Verlag
9,99 €

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Oh. Mein. Gott. Das ist er. Aus meiner Erinnerung hervorgeholt und nun in echt, in Farbe und HD direkt vor mir. Er trägt sein Haar nicht mehr ganz so kurz geschnitten wie an der Uni, aber immer noch kurz genug, um als jobtauglich durchzugehen. Seine unverkennbaren Gesichtszüge versetzen mich sofort ein Jahrzehnt zurück. Caroline hat recht – bei seinem Anblick stockt einem immer noch der Atem. 

Seit ihrem Uniabschluss haben sich Rachel und Ben, ehemals beste Freunde, nicht mehr gesehen – das ist zehn Jahre her. Dann aber steht er plötzlich vor ihr – humorvoll, gutaussehend und verheiratet. Keiner von ihnen spricht an, was in der Nacht vor ihrem Abschlussball zwischen ihnen passiert ist. Ansonsten ist alles wieder so wie früher, jedenfalls fast. Unterdrückte Gefühle bahnen sich langsam ihren Weg an die Oberfläche, je mehr sie wieder miteinander zu tun haben … und dann ist da ja auch noch Bens Frau und Rachels Unsicherheit …

Eigentlich bin ich ja gar nicht die klassische Liebesroman-Leserin. Wenn ich es tue, dann habe ich häufig viel zu kritisieren, aber Mhairi McFarlanes Buch war für mich eine schöne Überraschung: Es ist nicht kitschig, aber durch und durch romantisch. Ein weiterer Pluspunkt ist der eigenartige, unverkennbar britische Humor, der sich immer wieder in den schlagfertigen Dialogen der Figuren wiederfindet. Darüber hinaus begegnet der Leser auf seinem Weg durch das Buch zahlreichen kulturellen Anspielungen auf Bücher, Filme oder auch bekannten Persönlichkeiten. 

Die Hauptfigur Rachel hat mir besonders gut gefallen, man konnte sich mit ihr identifizieren. Zugegeben, ich fand es allein schon sympathisch, dass sie nicht als überirdisch schön und schlank beschrieben wird. Sie ist auch kein Karriereweib wie ihre Kollegin, die auf ihrem Weg zur Spitze über (Ruf-)Leichen geht. Allerdings ist sie auch kein hohes Vorbild an Moral. Sie lügt zum Selbstschutz. Eiskalt. Wie jeder normale Mensch es auch tun würde. Sie hat eine leicht verzerrte Selbstwahrnehmung. Rachel ist einfach eine normale, sympathische junge Frau, die gewisse Zweifel und Ängste hat und keine Freundin von gewichtigen Entscheidungen ist. Nein, Rachel ist kein „einwandfreier“ Charakter, sie hat Ecken und Kanten. Sie wirkt authentisch. 

Vielerorts wird kritisiert, dass das Ende zu vorhersehbar ist und jeder, der diese Bemerkung liest, kann sich also nach einem Blick auf das Cover und die zwei Namen im Klappentext denken, wie es endet. Lohnt es sich also nicht, das Buch zu lesen? Doch, es lohnt sich. Hier ist der Weg wirklich das Ziel. Zwei Menschen, die einander lange kennen und sich offiziell nur freundschaftlich verbunden waren, treffen wieder aufeinander. Das Buch erzählt ihre Vergangenheit und ihre ungleich kompliziertere Gegenwart. Aber es geht nicht nur um Rachel und Ben. 

Ich persönlich habe aus dem Buch doch ein wenig mehr mitgenommen als das Gefühl, gut unterhalten worden zu sein. Mit viel Scharfsinn kritisiert Mhairi McFarlane auch ein wenig die heutige Gesellschaft und wie die Vorstellung von Liebe und Ehe oft im Widerspruch zur Realität steht. Besonders lesenswert ist hierbei die Szene, in der Rachel zu Gast bei Ben und Olivia ist und sich am Abendtisch über die pikanten Themen des Heiratens, Kinderkriegens und unterschiedlicher Lebensentwürfe unterhalten wird. Rachel kann sich als 31-Jährige dem Druck der Gesellschaft sichtbar nicht ganz entziehen: Sie sollte heiraten, Kinder kriegen, glücklich werden. Aber so einfach ist das alles nicht. „Wir in drei Worten“ zeigt dem Leser, wie das Leben eben manchmal so spielt. Aber auch, dass es für Hoffnung nie zu spät ist.






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