Matt Haig
Deutscher Taschenbuch Verlag (1. April 2014)
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Hoffnung war oft zwecklos. Und oft ohne jede Vernunft. Wäre sie
vernünftig, hätte sie wahrscheinlich Vernunft geheißen. Außerdem war Hoffnung
mühsam und anstrengend, und ich war Anstrengungen nicht gewohnt. Zu Hause war
nichts anstrengend. Genau darum ging es zu Hause – um den Genuss einer
perfekten, mühelosen Existenz. Doch ich war hier. Und hoffte.
Dem Mathematikprofessor Andrew
Martin ist es gelungen, das Geheimnis um die Riemannsche Vermutung zu lüften,
das gleichsam das Rätsel um die Verteilung der Primzahlen löst und eine
bahnbrechende Entdeckung für die Menschheit bedeutet. Doch dann wird er von
einer außerirdischen Lebensform entführt, getötet und durch einen von ihnen
ersetzt. Der Außerirdische, der nun mit Professor Martins Gesicht herumläuft,
hat den Auftrag, alle Hinweise auf die Lösung des mathematischen Rätsels
auszulöschen – in Computern, in Notizen, in Menschen. Die menschliche Natur und
Zivilisation erscheint ihm befremdlich, der menschliche Verstand und die
scheinbar fortschrittliche Technik primitiv. Doch dann lernt der Außerirdische
die Musik Debussys, Erdnussbutter und australischen Wein kennen. Und irgendwann
stellt er auch fest, dass die Menschen trotz ihrer Nasen gar nicht so hässlich
sind – vor allem Isobel Martin, Andrews Ehefrau. Plötzlich ist er sich nicht
sicher, ob er es schafft, seinen Auftrag auszuführen und Frau und Kind
tatsächlich zu töten …
Zunächst einmal klingt die Handlung
von Matt Haigs „Ich und die Menschen“ interessant und vor allem amüsant. Dieser
Roman verspricht Humor, Romantik und eine starke Prise Science Fiction. Diese
Erwartungen werden erfüllt, dieses Buch hält sogar noch ein wenig mehr für den
Leser bereit: Es ist ein Buch mit zunehmend existenzialistischer werdenden
Anklängen, ein Buch, das von dem Menschen handelt, betrachtet aus der
Perspektive eines Wesens, das weder mit unserer Natur noch mit unserer Kultur
vertraut ist und nicht Teil unserer Gesellschaft ist. Es ist eine distanzierte,
aber niemals objektive Perspektive: Negative wie positive Eigenarten des
Menschen werden so gekonnt aufgezeigt, dass der menschliche Leser selbst
lächelnd den Kopf schütteln muss. Kleidung! Autos! Haustiere! Wohnzimmer!
Computer! Hühnerbrust! Sind das nicht urkomische Konzepte? Ich muss sagen, es
tut gut, einmal die durch und durch sozialisierte Perspektive einer Europäerin
aufzugeben und gemeinsam mit dem Außerirdischen zu staunen, zu kritisieren und
sich neu in das zu verlieben, was an unserem Planeten und an unserer Spezies so
einzigartig und schön ist.
Es ist großartig, wie wunderbar
Haig tiefgründig-philosophische Anklänge mit sehr humorvollen Szenen in
Einklang bringt. Er malt nicht schwarz-weiß oder stellt eine Harmonie her, die
es gar nicht geben kann. Er bildet das Leben ab, so wie es ist – mit Hochs und
Tiefs – denn so und nicht anders verhält es (das Leben) sich auch für einen
Außerirdischen, der mit dem Gefühlshaushalt eines Menschen erst einmal
klarkommen muss. Der Leser kann die Entwicklung des Außerirdischen hervorragend
nachvollziehen: Dieser lernt die Menschen Abschnitt für Abschnitt besser
verstehen und setzt sich schließlich sogar für sie ein, anstatt sie zu töten.
An Spannung verliert das Buch auch zum Schluss nicht. Allerdings gibt es einen
kleinen Abzug für das Ende, das einer gewissen Logik entbehrt. Bei der
ultimativen Problemlösung macht es sich Haig dann doch ein wenig leicht und der
Leser stößt auf Ungereimtheiten, die zu nennen hier fehl am Platze wäre.
Allemal ist dies jedoch ein
gelungenes Werk, tiefgründig, witzig, an den richtigen Stellen melancholisch
und es regt vor allem die Reflexion an. Ein kosmisches Lesevergnügen!
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